Mit winzigkleinen, feengleichen Trippelschritten erreicht der Frühling Montréal. Fast hätte niemand mehr damit gerechnet. Die beeindruckende Auswahl an Gummistiefeln in den Schaufenstern weicht realistischen Halbschuhen und optimistischen Sandalen und für die Eichhörnchen ist die Fastenzeit beendet, viele Menschen im Park bedeuten auch viel Futter. Die Temperaturen steigen und die Sonne strahlt, auf einmal sind die Straßen voller fröhlich lachender Menschen. In Kneipen und Restaurants schleppt man Tische vor die Tür und jedes Fleckchen wird umgehend von Sonnenhungrigen bevölkert. Wo waren denn all die Menschen bloß in den letzten Wochen?

 

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Obwohl wir es gar nicht wollten sind wir Stammkunde bei Brioche Dorrée geworden. Nicht nur, dass das Lädchen einfach zauberhaft ist, sie backen hier außergewöhnlich vorzügliche Brioches und Tartes. Es ist ganz und gar unmöglich, nicht wenigstens verhalten, meist jedoch laut zu seufzen und sich die Finger abzulecken, so gut ist es. Ganz sicher kommen diese Menschen für Ihr Backwerk in den Himmel und zweifelsohne werden wir die Stadt rundlicher um die Körpermitte als geplant verlassen.

 

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Wir unternehmen einen schönen Ausflug auf die Inseln Île Notre Dame und Île Sainte-Hélène, bewundern eine beeindruckende Fotoausstellung rund um das Biosphère und erfreuen uns an den ersten Krokusknospen und zarten hellgrünen Grashalmen im Park. Der Schnee ist geschmolzen und hinterlässt einen leichten moderigen Geruch, ein wenig wie Kompost oder Biomüll, der aber nach wenigen Tagen verflogen ist. Auf der Île Notre Dame liegt übrigens die hiesige Formel 1 Strecke, die jetzt aber nur von Radfahrern genutzt wird. Einen Spaziergang auf selbiger kann ich nicht empfehlen, die Radfahrer sausen nur so die Strecke entlang, am Ende sind wir froh, nicht überfahren worden zu sein.

 

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Wir kaufen Karten für Cirque du Soleil, die in Montréal beheimatet sind. Ich bin sehr skeptisch, zu bunten Shows finde ich im allgemeinen wenig Zugang. Der Spaß beginnt schon früh am Abend und findet in einem Zirkuszelt statt. Daher wohl der Name. Dank des frisch erwachten Frühlings können wir außerhalb des Zeltes noch Margaritas in der Abendsonne trinken. Sie werden in Platinbehältnissen serviert, die einer auf dem Kopf stehenden Flasche mit entferntem Boden ähneln. Das macht mir jedoch weniger Angst als die Vielzahl an Kindern, die ins Zelt strömen. Daher wohl die frühe Uhrzeit. Na was das wohl wird. Wir haben wirklich toll Plätze erwischt, auch wenn die Dame zu meiner linken die gesamte erste Halbzeit Popcorn futtert. Sie lächelt auch bis zur Verabschiedung nicht ein einziges Mal, dafür trägt sie aber ein wirklich angenehmes Parfum. Das könnte man schlimmer treffen.

Die Show heißt Luzia und ist zu meinem Verblüffen grandios. Die Tänzer sind anmutig, stark, geschmeidig, irre gelenkig und rasend schnell, die Pantomime herrlich überzeichnet und die Musik einfach rührend. Ich liebe die überraschenden Kulissen und die hübschen bunten Kostüme, selbst nackig könnte es nicht besser sein. Oft halte ich vor Schreck die Luft an und denke: ‚Das geht gar nicht!‘ Hier und da passieren kleine Fehler, die den Genuss aber keineswegs beeinträchtigen, eher noch zeigen sie, welch anspruchsvolle Arbeit hier geleistet wird. Vorzüglichst unterhalten verlassen wir das Zelt mit glücklichen Gesichtern inmitten all der anderen strahlenden Zuschauer. Hoffentlich können noch viele Menschen diese großartige Show sehen!

 

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