Die hawaiianische Lobotomie entschwindet dankbarerweise gemeinsam mit dem Anblick pummeliger Touristen in Shorts, die in Schlangen vorm japanischen Nudelkoch stehen. San Francisco präsentiert sich dynamisch, weltoffen und gut gelaunt. Selbst die Obdachlosen, die es hier in ähnlich großer Anzahl gibt, wirken weniger verwahrlost. Voller Energie und Neugierde entdecken wir die verschiedenartigen Stadtteile und stolpern stöhnend und fluchend die Berge herauf und herunter. Viel häufiger als ich es je vermutet hätte steigen wir letztendlich doch in einen der zahlreichen Busse, weil wir es zu Fuß nicht mehr schaffen. Bus fahren ist jedoch eine Herausforderung für mich, nein, eigentlich trifft es das nicht, ich hasse Bus fahren. Jedes, wirklich jedes verdammte Mal wird mir sauschlecht.

 

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Deswegen steigen wir heute auf die Fähre, Ziel: ‚The Rock‘. Erinnert ihr euch an Sean Connery als abgeklärten, jahrzehntelang inhaftierten und verleugneten britischen Agenten und Nicolas Cage mit unverkennbarem, leicht irrem Blick als grünohriger Chemiewaffenspezialist des FBI mit Bindungsängsten? Gemeinsam retten sie San Francisco vor der Zerstörung durch enttäuschte Veteranen (schnarch, blabla, schnarch…) und legen dabei Alcatraz in Schutt und Asche (Filmzitat des Filmarchivars: „Carla war die Ballkönigin!“ :-)). Da müssen wir unbedingt hin. Bei strömenden Regen machen wir uns gemeinsam mit zahlreichen anderen Touristen auf zum Pier und setzen mit der Fähre auf jene sagenumwobene Gefängnisinsel über.

 

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Ankunft auf Alcatraz – ein herzliches Willkommen.

 

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Optisch nagt der Zahn der Zeit an allen Ecken und Enden. Trotzdem ist das Gebäude noch verhältnismäßig gut in Schuss.

 

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1860 wurde sie erstmals durch die Unionsstaaten zur Inhaftierung ihrer Kriegsgefangenen genutzt. Später kam dann der Umbau und von 1934 bis 1963 diente die Insel als Hochsicherheitsgefängnis für jene, die in anderen Anstalten als Unruhestifter galten. Die Insassen verblieben im Schnitt 10 Jahre, insgesamt gab es 1.576 Gefangene, jedoch nie mehr als 302 gleichzeitig. Die Wärter und ihre Familien – rund 300 Personen inkl. Kinder – lebten ebenfalls auf der Insel und legten dort ausgesprochen hübsche Gärten an, von denen wir und zahlreiche Vögel noch heute profitieren. Die Fähre nach San Francisco fuhr, ähnlich wie heute, mehrmals täglich. Ich kann mir vorstellen, man konnte seinerzeit schlechter wohnen.

 

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Die Insel ist offizielles Vogelschutzgebiet, was von den Biestern auch ausgiebig genutzt wird.

 

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Heute, als Tourist, darf man die Insel und das Gefängnis auf eigene Faust besichtigen, der Eintrittspreis beinhaltet die Überfahrten (Hinfahrt fix, Rückfahrt wann man mag) und einen Audioguide für das Innere des Gefängnisses. Die Audiotour ist großartig! Ehemalige Insassen und Wärter, Angehörige von Gefangenen und Kinder, die auf Alcatraz aufwuchsen, berichten untermalt von zuschlagenden Türen und Alarmheulen über ihre Erlebnisse und den damaligen Alltag. Die Verweildauer lässt sich durch den Guide gut berechnen und so ist die Touristenattraktion zwar sehr gut besucht, aber nicht zu voll.

 

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Altes Wächterbüro im Stile der 50er Jahre.

 

Als Insasse hatte man hier wenig Grund zur Freude. Eigentlich war alles verboten, die Zellen waren winzig und man durfte sie täglich für eine, bei Vergünstigungen wegen guter Führung ausnahmsweise auch mehrere Stunden verlassen. Längst nicht jeder durfte auf den eher trostlosen Gefängnishof. Bei Regelverstoß landete man im ‚Loch‘. 18 Tage Isolationshaft bei völliger Dunkelheit oder durchgehender Beleuchtung. Ich vermute, das zermürbt auch die größte Wut. Mehr als einmal stellt sich mir ein beklemmendes Gefühl ein, als wir mit unseren Kopfhörern durch die Flure traben. Das Essen soll aber sehr lecker gewesen sein und Alcatraz verfügte damals als einziges Gefängnis über Warmwasserduschen, wenn auch beides nicht humanitär motiviert war.

 

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Duschen mit Warmwasser, aber nicht aus Nettigkeit. Vielmehr sollte vermieden werden, dass die Insassen sich gegen das kalte Pazifik-Wasser bei einer möglichen Flucht abhärten.

 

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Typische Zelle. Enge Kiste.

 

Alcatraz diente seinerzeit einigen der bekanntesten und berüchtigtsten Kriminellen der USA als vorübergehende Heimat. Al Capone verbrachte fünf Jahre hier (Steuerhinterziehung, ihr erinnert euch sicher), der Gewaltverbrecher Robert ‚The Birdman‘ Stroud, der sich während seiner insgesamt 54 jährigen Inhaftierung (!!!) zum anerkannten Vogelkundler bildete, verbrachte 17 Jahre in Alcatraz, in denen er jedoch keine Vögel halten durfte. Vermutlich sah er dieser Zeit sogar nur wenige. Der als außerordentlich intelligent beschriebene Alvin ‚Creepy‘ Karpis saß als einziger Insasse mehr als 25 Jahre in Alcatraz, vielleicht spielten die persönliche Abneigung des FBI Direktors J. E. Hoover und die Tatsache, dass sein letztes Entführungsopfer der Sohn eines Freundes von President Teddy Roosevelt war, hierbei eine Rolle. Vielleicht aber auch nicht.

 

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Mittels Audioguide werden wir Zeuge der ‚Schlacht um Alcatraz‘, bei der drei Häftlinge und zwei Wärter getötet wurden (tatsächlich dauerte ‚die Schlacht‘ mehrere Tage, der Audioguide schafft es aber in wenigen Minuten) und erleben die Flucht dreier Insassen durch die Lüftungsschächte. Die Männer wurden nie gefunden und trugen trotzdem zur Legende des ausbruchsicheren Gefängnisses bei. Offiziell war kein einziger der insgesamt 14 Fluchtversuche durch 34 Gefangene erfolgreich. Die hohen Betriebskosten des Gefängnisses führten schließlich zur Schließung der Anstalt.

 

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