Da fliegt man also einen ganzen Tag – oder in unserem Falle eine ganze Nacht – und landet in Sydney. Auf dem fünftem Kontinent, dort, wo alles anders ist: niedliche hüpfende Tiere, rote Erde, Ureinwohner, deren Existenz nicht erklärt werden kann und ein Haufen tödliches Viehzeug, auf das wir hier nicht näher eingehen. Wir sind das erste Mal überhaupt auf der Südhalbkugel und es ist erst einmal wenig exotisch. Ganz im Gegenteil, man kommt sofort erstaunlich gut zurecht. Alles ist lesbar, die Sprache verständlich, wir sehen normale Autos und Häuser, normale Straßen und Parks, eigentlich wie zu Hause. Nun ja, die Parks sind deutlich verschwenderischer in die Stadt gestreut als daheim und der Standard der Häuser lässt den deutschen Spießer in mir schon mal eine Augenbraue hochziehen. Trotzdem erwartet man einfach nicht, so fern der Heimat auf etwas dermaßen europäisches zu stoßen.

 

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Mit dem Januar, den wir ja eher zufällig wählten, weil er nun mal an der Reihe war, haben wir den perfekten Monat. Silvester war schon klasse, dann folgt jedoch auch noch das Sydney-Festival und das Wetter ist sowieso perfekt. Das Festival ist überwiegend kostenlos, abwechslungsreich und verteilt sich auf verschiedene Standorte in der Stadt. Lokale und internationale Künstler treten auf, hier und da gibt es was zu futtern und zu trinken, Picknickdecken und Stühle können gemietet werden, total australisch unkompliziert kann man aber auch seinen eigenen Kram mitbringen. Und so sitzen wir eines Nachmittags mit unzähligen Menschen picknickend mit Rotwein in der Hand auf der Wiese und warten auf die Dämmerung, um das Sydney Symphony Orchestra spielen zu hören. Es ist wunderschön!

 

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Das Festival sollten wir viel häufiger besuchen, doch es gibt so viel zu sehen und ein Monat ist kurz. Man kann ja nicht in Sydney gewesen sein, ohne den Bondi Beach gesehen zu haben, oder was meint ihr? Tatsächlich ist dies der einzige Ort, der so voller Menschen ist, wie wir es auch in Deutschland erwarten würden. Keine Ahnung, warum die Surfer sich nicht ständig gegenseitig überfahren. Der Strand ist wirklich schön, die Promenade ganz brauchbar, vor allen Dingen bestätigen sich hier aber zwei Dinge:
1. Öffentliche Toiletten können sauber sein – niemals sah ich eine unbenutzbare und es gibt hier verdammt viele öffentliche Toiletten.
2. Das Gros der Menschen hier ist zwischen Ende zwanzig und Mitte vierzig, sportlich, Fremden gegenüber total aufgeschlossen und gut gelaunt. Wie machen die das bloß?

 

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Die Besiedlung Australiens bringen uns die Hyde Park Barracks von 1818 näher. Auf liebevolle Art wurden die über Jahrzehnte veränderten Nutzungsarten der Baracken in die heutige Zeit gezaubert. Wir sehen furchterregende Sträflingsunterkünfte und deren lange Reiseroute – schon für kleinste Vergehen wurde man seinerzeit deportiert. Ab den 1840igern registrierten sich hier hoffnungsfrohe Immigrantinnen, einige blieben auch, bis sie ihr Zuhause in der neuen Welt gefunden hatten. Später wurden Regierungsbüros und Gerichte im Gebäude untergebracht. Viele armselige Besitztümer und unglaubliche Geschichten sind erhalten geblieben, der Besuch lohnt sich unbedingt!

 

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Und dann gibt es die Harbor Bridge! Ein grandioses Bauwerk über dessen 1.149 Meter man unbedingt einmal flaniert sein sollte. Man darf auch über die Bögen klettern, das tun wir aber nicht. Statt dessen spazieren wir nach Kirillibilli und erfreuen uns an zauberhaften Häuschen mit verwunschenen Gärten. Hunger und Regen treiben uns jedoch schneller wieder heim als gedacht. Vorbei an der Oper, die mit ihrem Segeldach (Utzon selbst jedoch sprach von Orangenschalen) wirklich viele Menschen anzieht. Ihr Inneres ist schlicht in Sichtbeton gehalten, nur die Säle schauen wieder aus, wie Konzerthallen es halt tun: Große Leuchter, schwere Vorhänge und riesige, irgendwie deplatzierte Blumenarrangements.

 

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Wir besuchen das herrlich altmodische Australian Museum. Riesige Skelette hängen an der Decke der hohen Hallen, arme kleine Amphibien treiben in Gläsern mit Formaldehyd, beeindruckend seltsame Säugetiere stehen ausgestopft auf Podesten, Insekten stecken sorgsam aufgespießt in Glaskästen, glitzernde Mineralien liegen in Setzkästen und Gegenstände der Aborigines werden ausgestellt und erläutert. Bereits um 17:00 Uhr werden wir rausgefegt, der Feierabend ist hier heilig.

Wenn man vergnüglich durch Sydney spaziert, landet man immer wieder am Hafen, der sich irgendwie durch die Stadt zieht, das neue Stadtviertel am Wasser ähnelt übrigens stark unserer Hamburger Hafencity, es hat aber den hübschen Namen Barangaroo erhalten.  Tja, ihr merkt es schon, wie fühlen uns wohl hier. Beim Kaffeerwerb werde ich nicht mehr „Ma’am“, sondern „Love“ oder „Mate“ genannt, Kneipen werben zielgruppengerecht mit: „We have Beer“ und weil Preise zwar gern wie daheim mit x,99 verharmlost werden, es aber keine casperigen Kleinstmünzen gibt, wird der Endpreis halt gerundet. „Die Welt, wie sie sein sollte“, brachten uns Grey Copenhagen und Coke Zero bei und Sydney kommt diesem, jedenfalls in meinen Augen, verdammt nahe.

 

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Natürlich gibt es auch Schattenseiten, die hier nicht unerwähnt bleiben sollen: die Gefahr an Hautkrebs zu erkranken ist ca. 13 mal größer als in Deutschland – selbst bei schattigem Wetter schlittern wir nur knapp am Sonnenbrand vorbei. Schaben sind hier so groß, dass sie die Zeitung mitbringen könnten und die Paketzusteller sind zwar unheimlich nett, aber sein Paket kriegt man trotzdem nie. So schnell schimpfe ich jedenfalls nicht mehr auf DHL.

Den Hamburger wird vielleicht interessieren, dass der Bau der Oper rund fünfzehn Mal teurer war als ursprünglich geplant, die Fertigstellung konnte letztendlich tatsächlich nur durch eine extra hierfür ins Leben gerufene Lotterie realisiert werden. Der heute noch gefeierte dänische Architekt Jørn Utzon verließ die Baustelle im Streit noch vor Beendigung seines Werks und betrat niemals wieder australischen Boden. Acht Jahre später als angekündigt wurde das Opernhaus endlich eröffnet und Beethovens Neunte aufgeführt. Wie herrlich das gewesen sein muss, erleben wir am 24.01., einem der schönsten Abende unserer Zeit in Sydney.

 

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Auch an den tollsten Orten kann man nicht bleiben, wenn man reisen möchte. So packen wir schließlich unsere Sachen und fahren mit der Metro zum Flughafen.