Die Ausreise aus Tadschikistan ist einfacher als die Einreise es war und vor allem billiger, nämlich kostenlos. Im strömenden Regen erreichen wir Usbekistans Grenze und damit geht der Spaß los: Formular ausfüllen, Pass abgeben, Fragen beantworten: „Was haben Sie in Tadschikistan gemacht?“ „Hat es Ihnen gefallen?“ „Haben Sie Fotos gemacht?“ Klingt nett, ist es aber nicht. Der Nachbar ist hier nicht beliebt.

Henning begleitet drei Soldaten zur Gepäckkontrolle während ich die Zollformalitäten erledige. Wir sind die einzigen, die die nächsten zweieinhalb Stunden versuchen werden, diese Grenze zu überwinden. Innerhalb von fünfzehn Minuten ist Hennings Moped komplett entpackt und so bleibt es die nächsten eineinhalb Stunden auch. Shirts liegen neben Pistazien, Shampoo neben Straßenkarten, Medikamente neben Schuhen. Sogar die Sitzbank ist runter. Der Zollhund beschaut den Vorgang gelangweilt, Rauschmittel oder Sprengstoff sind offensichtlich nicht das Problem. Neben menschlich neugierigem Interesse an unserem Krempel ist es vor allem unsere Moral, die hier auf dem Prüfstand steht. Nun haben wir hiervon nach hiesigen Maßstäben zwar tatsächlich recht wenig, haben die oberflächlichen Anzeichen dergleichen aber noch kurz vor dem Verlassen des Hotels am Morgen gelöscht oder aber in weniger auffällige Ordner verschoben. „Fotos, Videos!“ Lautet die wiederkehrende Aufforderung der Herren in grün, während Notebook, Telefon und externe Speichermedien durchsucht werden. Nicht verbergen lässt sich meine Vorliebe für die drei Fellnasen Zuhause: „Sie mag diese Katze sehr?“ Hey, es sind drei unterschiedliche Katzen, das sieht man doch!

Während Henning diese Prozedur mit erstaunlicher Geduld über sich ergehen lässt, versichert mir mein Zöllner seine Zuneigung. Elektronische Daten werden hier mit der Geschwindigkeit von hinkenden Schnecken übertragen, daher dauert die Verzollung der beiden Mopeds erstaunlich lange. Zum Glück sind wir die einzigen Einreisewilligen. Zehn Minuten später ist zwar noch kein Moped verzollt, ich erhalte aber den ersten Heiratsantrag meines Lebens. – Arno, bevor du dich jetzt freust, die erste Tochter los zu sein: Ich lehnte ab. Die erste Kiste ist verzollt und mein Kavalier, 27 Jahre alt und mit sicherem Job wie er mir versichert startet den nächsten Versuch. Er würde mich gut behandeln und fände mich wirklich wunderschön. Ich lege ihm nahe, sich eine Frau seines Alters zu suchen. Spätestens nachdem er in meinem Telefon ein Foto entdeckt, auf dem ich ausschließlich ein rotes Wollhöschen und eine Katze auf der Schulter trage, ist sein Glück perfekt. Vor dem Durchsuchen meines Mopeds bewahrt mich seine Verehrung allerdings nicht.  Aber wenigstens sind wir zehn Minuten später fertig und reisen nun endlich ein. Samarkand können wir uns für heute abschminken, es dämmert schon. Statt dessen schlagen wir unser Zelt irgendwo unterwegs auf, als der Regen allmählich Erbarmen zeigt. Zum Kochen haben wir keine Lust und so verschwinden wir hungrig im Zelt.

Am nächsten Morgen hat sich die Sonne wieder rausgetraut und wir kochen Spaghetti mit Mais und Bohnen und trinken Unmengen heißen Tee. Und zwischen den Hügeln mit vertrocknetem Gras, Ziegenködeln und mutierten Riesenameisen rückt die Welt wieder an die richtige Stelle. Das Lächeln findet zurück in unsere Gesichter und wir erinnern uns nicht mehr: „Woher nur kamen die Zweifel in den letzten Tagen?“