Kaum haben wir Sary Tash verlassen, stehen wir schon vor einer geschlossenen Schranke. In liebevoller Handarbeit werden alle Personen und Fahrzeuge samt Herkunft und Ziel in eine Schulkladde eingetragen. Das dauert seine Zeit, könnt ihr euch sicher vorstellen, auch wenn wir grad die einzigen sind.
Im Gegensatz zu gestern ist heute ein sonniger, klarer Tag. Wir sehen zum ersten mal die weißen Berge ohne Dunstschleier. Die Landschaft ändert sich langsam, je höher wir kommen. Gibt es erst noch Grasbüschel, verschwinden diese schließlich zu Gunsten von einigen Moosen, ansonsten ist alles kahl. Die Berge beeindrucken uns sehr. Wie so oft in Grenznähe ist die Straße schlecht und teilweise einfach gar nicht vorhanden. Daher bekommen wir große Augen, als wir Anne treffen, die ihr Fahrrad in der Kälte zur Grenze schiebt. Wie tapfer ist das denn?
Die Einreise ist schrecklich und vermiest einem ordentlich die Stimmung. Etwa 100 US $ werden wir für Desinfektion, Service und weiteren Quatsch los. Da wir den Einreisestempel schon ganz am Anfang erhielten, nehme ich an, es hätte auch ohne Talers klappen können. Mal sehen, ob wir all die furchtbar wichtigen Dokumente jemals brauchen werden…
Die Landschaft entschädigt dann aber doch für den Ärger. Wie eine Kulisse aus Star Wars sieht es hier aus. Ich würde mich nicht wundern, gleich C3PO und R2D2 um die Felsen kommen zu sehen, aber noch ist kein Piepen zu hören.
Wir haben so ziemlich alles angezogen, das wir dabei haben, kalt ist es aber trotzdem. Mein Hals tut kaum noch weh, aber meine Nase läuft wie verrückt. Und es ist ist verdammt anstrengend, sich hier oben zu bewegen! 4.655 Meter hoch sind wir heute gefahren.
Das einzige Hotel in Murghab hat geschlossen, daher müssen wir uns ein Homestay suchen. Verflixt, wir wollen unbedingt duschen. Der Ort sieht schon etwas lebhafter aus als Sary Tash und ist auch deutlich größer, aber reicht das für fließendes warmes Wasser? Wir tanken ersteinmal – natürlich wieder aus Saftflaschen und Motorölkanistern – und machen uns dann auf die Suche nach einem Zuhause. Eine Dusche finden wir nicht, auch wenn es hier so genannt wird.
Wir bekommen ein unbeheiztes Zimmerchen für uns allein und zwei Franzosen – Guillaume und Americk – als Nachbarn. Die beiden bereisen die Pamirs mit einem Geländewagen und zeigen uns auf der Karte Ihre schönsten Strecken mit Fotountermalung. Parallel wird der Ofen im Waschhaus eingeheizt. Verbrannt wird alles, was zu finden ist. Reisig, Plastikflaschen, Papier, Kohle, und all das, was der Hund nicht frisst. Die Dörfer haben hier alle den gleichen Brandgeruch und vermutlich haben wir ihn mittlerweile auch.
Da die Elektrizität gerade etwas Schwierigkeiten macht (Anmerkung des Korrekturlesers: Hiermit ist nicht die zentrale Elektroversorgung, sondern die Leitung vom hauseigenen Generator zum „Duschraum“ gemeint!) , bekommen wir eine (!) Kerze mit ins Waschhäuschen. Der Ofen hat nicht nur den Wassertank, sondern auch den Raum gewärmt und zusammen mit dem Kerzenlicht und dem Reuschi ist es irgendwie ganz romantisch. Ich balanciere auf einigen Brettern über einer großen Grube und Henning mischt in einem Eimer kaltes und warmes Wasser, das er dann mit einer Schöpfkelle über meinen Kopf gießt. Ist das nicht total bezaubernd? 20 Minuten später tauschen wir die Plätze. Wie neu geboren fühlen wir uns anschließend! Naja, nicht ganz, Hennings Magen-Darm-Trakt ist noch immer in Aufruhr und am Abendessen zeigt er nur wenig Interesse. Es tut mir sehr leid, dass er just die schrecklichen Plumpsklos überdurchschnittlich oft aufsuchen muss. Mein Schnupfen verdeckt den bestialischen Gestank einigermaßen und trotzdem vermeide ich den Austritt so gut es geht. Hey, aber wenigstens gibt es hier oben keine Fliegen!
Die Sterne sind fantastisch hier! Jedoch ist es furchtbar kalt, daher halten wir es nicht lange draußen aus und verschwinden früh in der Falle. Am nächsten Morgen, der eher schon ein Vormittag ist, sind unsere beiden Franzosen schon abgereist. Wir haben verdammt lang geschlafen! Nun aber los!
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