Am nächsten Morgen scheint tatsächlich die Sonne. Der sandige Boden trocknet schnell und das vertrocknete Kraut duftet wunderbar. Wäre nicht der platte Reifen, wäre alles perfekt. Naja, noch schöner wäre es, wenn die Pferde nicht weitergezogen wären, aber denen waren wir wohl nicht ganz geheuer.
Wir frühstücken etwas Müsli mit Joghurt, kochen einen Kaffee und machen uns dann an den Reifen. Übung haben wir ja nun schon. Das Loch ist schnell gefunden und geflickt, eine zweite Stelle macht uns noch etwas Sorgen, aber wir wollen auch nicht vorschnell den letzten Flicken opfern. Erst mal sehen, wann wir weiteres Flickzeug kaufen können, noch ist die Stelle zwar dünn, aber dicht. Die Handpumpe bringt nicht viel, aber ein Lasterfahrer hilft gerne mit Druckluft aus. Jedoch erfolglos, müssen wir feststellen, der Schlauch lässt sich nicht füllen. Also nochmal das gleiche Spiel. Loch suchen, flicken und hoffen, dass es nicht auch das Ventil ist. Diese blöde Handpumpe taugt einfach nichts. Mittlerweile ist es deutlich später geworden und wir haben auch nicht mehr so viel Wasser…
Aber wir bekommen Besuch. Bogdan aus Kirgistan auf seiner Transalp. Und wenig später kommt George auf einem Uralumbau nach. Verrückt, die letzten Mopeds haben wir bei unserer Einreise gesehen. Und nun sind die beiden hier. Sie sind auf dem Heimweg von einem Urlaub auf der Krim und haben nicht nur eine Wassermelone dabei, sondern auch eine deutlich bessere Luftpumpe. Irgendwie bringt die aber auch nichts, der Schlauch hält die Luft einfach nicht. Also schenkt uns Georgie seinen sogar fast passenden Ersatzschlauch. Die beiden empfehlen uns noch eine andere Route für die Weiterfahrt in den nächsten Tagen und wir verabreden uns für Bishkek in einigen Wochen. Und endlich geben wir René Entwarnung, der als guter Engel von Zuhause über uns wacht und sind wieder auf der Straße. Zwischendurch dachte ich schon, wir würden noch eine zweite Nacht an gleicher Stelle verbringen.
Die Straße bleibt noch etwa 70 Kilometer schlecht, bevor sie dann deutlich besser wird. In Qandyagash finden wir einen Schlafplatz in einem Dreimannzimmer, das wir aber zu zweit nutzen dürfen. Die Dusche ist im Haupthaus bei der Familie, ein WC sehen wir bis zu unserer Abreise am nächsten Morgen nirgendwo. Obwohl die Bude wirklich nicht wunderschön ist, schlafen wir ausgezeichnet.
Heute haben wir eine wirklich lange Strecke vor uns und wir machen uns rechtzeitig auf den Weg. Wieder sind wir froh über die Zusatztanks der Mopeds. Sprit mit 95 Oktan bekommen wir übrigens längst nicht mehr überall, daher laufen die Kisten mit kaltem Motor stets etwas stockend. Aber kein Sprit war hier so mies, wie die Brühe, die wir vor unserem ersten Ankara Besuch tankten. Aber das kann ja noch kommen ;-).
In Kasachstan, so lernen wir schnell, ist nur Bares Wahres. So kleben an den Tankstellen zwar stets MasterCard und VisaCard Sticker, zahlen kann man hiermit aber trotzdem nur selten. Vielleicht findet man die Logos hier einfach nur schmuck? Auch in Kasachstan muss man beim Shop oder Büdchen Bescheid geben, bevor man tanken darf. Und das lustigerweise auch dann, wenn ein Tankwart die Säule bedient. Und wenn wir gar zu unzuverlässig wirken, müssen wir auch schon mal vorab bezahlen.
Die Straße ist längst nicht mehr so mies und der endlose Blick großartig. Und es duftet oftmals so schön! Ich freue mich immer riesig, wenn wir Kamelherden oder anderen Tieren begegnen. Kamele gibt es hier in einhöckriger und zweihöckriger Ausstattung, in klein und riesig, fast weiß bis dunkelbraun. Und es gibt viele Kamelkinder. Sie sind nicht sehr scheu, daher kommen wir manchmal näher an sie ran, als wir eigentlich wollten.
Nach langer und anstrengender Fahrt erreichen wir am Abend Aralsk. Den bzw. mittlerweile die Aralseen lassen wir müde links liegen und begeben uns zum einzigen Hotel des Ortes, welches uns bereits mit einem großen Schwarm Stechmücken vor dem Eingang begrüßt. Ein verschleiertes Mütterchen zeigt uns den abgeschlossenen Hof, damit wir dort parken können. Die Mücken kommen mit und wir wünschen uns auch Schleier. Der Hof bleibt das beste vom Abend. Das Zimmer ist dreckig und schrott, das WC – ein eigenes nur für uns – ein Drecksloch und das Fliegengitter passt nicht ins Fenster. Ich muss zugeben, dass wir die Gemeinschaftsdusche nicht einmal ansehen. Über mehrere Stunden hinweg erschlagen wir rund 45 Mücken und tragen so zur Wand- und Deckendekoration bei. Schlafen tun wir leider wenig. Am nächsten Morgen werden wir grob beschimpft und bezichtigt eine dritte Person bei uns im Zimmer übernachtet haben zu lassen, ohne dass diese bezahlt hätte. Eine junge Engländerin kam wohl morgens mit der Bahn in den Ort und checkte im Hotel ein, schließlich ist es ja das einzige. Warum der Verdacht aufkam, sie wäre schon am Abend gekommen und hätte bei uns geschlafen, habe ich nicht verstanden. Unermüdlich zerrt mich das winzige Mütterchen am Ärmel auf dem Flur hin und her, während Henning die Mopeds fertig bepackt. Es ist zum Piepen. Aber auch wenn es schwerfällt, wir wollen weiter.
Das Hotel, so lesen wir mit einem Schmunzeln, wird von einem Gast als „trauriger Höhepunkt der Unterkünfte in der Steppe“ auf Bookingdotcom beschrieben. Na das macht doch Mut für die nächsten Nächte!
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