Trabzon wählten wir aus zwei Gründen aus: Wir hoffen, das mittlerweile irrgeleitete Paket umzuleiten und die Süperlig hat begonnen, wir wollen Karten für Trabzonspor vs. Bursaspor ergattern. Um es vorwegzunehmen: beides hat nicht geklappt.

Das Hotel haben wir vorab schon online gebucht, in einem Tankstellencafé, indem es uns nicht gelang etwas anderes als Tee zu ordern – obwohl an den Nebenplätzen gegessen wurde -, gab es WiFi. Die Teerechnung haben übrigens die Herren des Nebentisch übernommen, obwohl wir kaum miteinander sprachen. Wirklich sehr nett!

Trabzon ist im Sommer aus Gründen, die sich mir nicht erschließen, total ausgebucht. Daher sind wir froh, online noch ein Hotel zu ergattern, auch wenn der Preis eine Frechheit ist. Wie frech, wird uns später Vorort erst wirklich bewusst, aber dazu müssen wir es erst einmal finden. Und das ist gar nicht so einfach. OSM (Anm. von Lieutenant Sulu: OSM = Open Street Maps, das sind die Karten auf unseren Navis…) kennt die Straße nicht und die Ratschläge der Leute vorort bringen uns auch nicht zum Ziel. Also googeln wir kurz und erfolglos. 60 Euro später (jaja, Länderklasse 2 ist kein Gebetsverein) hält ein Mopedfahrer und bietet seine Hilfe an. Ugur ist mehr als nur der rettende gelbe Engel. Am Abend gehen wir zusammen essen und er zeigt uns die Stadt. Es ist großartig! Bis auf zwei etwas unharmonische Momente: Ugur und die Bedienung im Restaurant schauen wirklich völlig entgeistert, als Henning nach einem Bier fragt, und bezahlen dürfen wir auch gar nichts. Tatsächlich durften wir auch nichts bestellen, Ugur orderte einfach alles Vegetarische, das zu bekommen war. Und das war nicht wenig! Dreimal soviel Leute wären auch satt geworden. Stunden später im Bett kann ich ausschließlich auf der Seite liegen, damit mein Magen die anderen Organe nicht zerquetscht.

Ugur, unser türkischer Held! Unglaublich, wie lieb er sich um uns gekümmert hat.

Am Morgen versuchen Ugur und Henning das Paket umzuleiten, es scheitert jedoch, da es grade in einem Fahrzeug ist und daher kein Kontakt aufgenommen werden kann. Vielleicht wird es auch auf einer kleinen Gruppe Schnecken transportiert, das würde sicher die Geschwindigkeit seines Fortkommens bisher erklären. Vier Ecken, vier Schnecken, kennt man ja. Also müssen wir sehen, was hier nach dem Wochenende machbar sein wird. Wir werden dann nicht mehr in Trabzon sein, aber Ugur ist so lieb, Montag nochmal zu der netten Postdame zu gehen.

Trabzon ist nicht nur so groß wie Bochum, sondern auch mit vergleichbarem Charme gesegnet – auf den ersten Blick übel, aber wenn man die richtigen Ecken kennt, gar nicht sooo schlecht.

Nach einem Spaziergang und einem kleinen Snack – ratet mal, wessen Geld der Kellner annahm und wessen nicht – mit Ugur und seiner bezaubernden Freundin, spazieren Henning und ich zum Stadion. Hier ist ordentlich was los! Merchandisingstände und Horden von Fußballfans umringen das Stadion. Eine etwas seltsame Atmosphäre, denn Alkohol gibt es nicht. Wir stellen uns an einen Ticketschalter an und werden schnell belehrt: ohne Passolig (Anm. eines amtierenden Fußballweltmeisters: Ja nee, is klar. Einfach Ticket kaufen geht natürlich nicht. „Passolig“ ist wie eine Kreditkarte, und ohne Registrierung also kein Ticket) werden wir hier nix. Und den gibts hier nicht, dafür müssen wir zurück in die Innenstadt. Zweieinhalb Stunden vor Anpfiff, bei Henning stellt sich erste Panik ein.

In der Stadt lernen wir dann, wir sind zu spät, die Passolig-Menschen haben schon Feierabend. Also holen wir unsere Reisepässe und hoffen, auch hiermit nachweisen zu können, dass wir keine geistesgestört-aggressiven Trabzonspor- oder Bursasporfans sind. Irgendwie muss das ja gehen. Die Schlangen an den Ticketbüdchen sind jetzt deutlich länger und trotz der späten Stunde ist es sehr heiß. Ich bin froh um das Wasser, das wir unterwegs kauften. Parallel vier arg verschwitzte Menschenschlangen drängeln sich um ein winziges Fenster in Kniehöhe, ihr könnt euch das Gerangel und Gezeter nicht vorstellen. Ach ja, Frauen gibt es keine. Vielleicht kaufen die Männer den Frauen die Karten mit oder Frauen gehen nicht ins Stadion, keine Ahnung. Wir werden es nicht erfahren, denn wir bekommen keine Karten. Enttäuscht gehen wir in die Karikatur eines Hotels, in dem wir wohnen. Trabzonspor gewinnt 1:0, falls es jemanden interessiert.

In der Nacht wird die anliegende Fußgängerzone aufgerissen, am nächsten Morgen verlassen wir Trabzon daher reichlich übermüdet. Es ist fast, als hätten wir doch das Spiel gesehen!