Angeblich soll es ja am Schwarzen Meer kühler sein, erzählen uns hier jedenfalls immer alle. Es stimmt aber nicht. Vielleicht ist dies normalerweise so, ich gebe zu, auch die Klimatabellen verweisen hierauf, aber dieser Sommer ist wohl einfach anders. Irgendwo muss die Erderwärmung ja schließlich stattfinden.
Wir finden unser neues Zuhause in Samsun, auf einem trostlosen Platz mit viel Beton direkt zwischen Schwarzen Meer und Hauptstraße. Das Meer ist hier eher bäh, also planschen wir auch nicht. Aber die Duschen sind richtig heiß!
Unser Zelt bauen wir neben dem Bus von zwei Berlinern auf, die grade eine winzigkleine magere Katze mästen. Sehr erfrischend die Berliner Schnauze. Vermutlich hatte ich keine Schimpfworte mehr gehört – oder jedenfalls verstanden – seit ich Henning gegenüber in Ungarn etwas ausfallend wurde. Und sprechen ist ja nichtmal das gleiche wie hören!
Samsun ist eine wenige attraktive Industriestadt und daher spazieren wir nur kurz in der Stadt umher, kaufen uns etwas zu futtern und – da es kein Bier gibt – ein paar Coke und gehen zurück zum Zelt. Die Berliner versorgen uns mit polnischem Bier, und wir verbringen einen lustigen Abend zusammen. Ich versuche die beiden zu überreden die Mietzie zu adoptieren, vermute aber, dass es nicht geklappt hat. Dabei waren die doch so verrückt nacheinander!
Die Reise scheint wohl noch deutlich erholsamer zu sein, als es sich anfühlt. Jedenfalls muss ich mittlerweile wieder so frisch aussehen, als sei ich noch unmündig. Oder wie erklärt es sich, dass 85% der Menschen sich am liebsten nicht mit mir unterhalten? Selbst an der Tankstelle muss Henning nochmal bestätigen, dass mein Tank tatsächlich komplett gefüllt werden darf. Versteht mich nicht falsch, ich werde stets sehr freundlich übersehen, aber es nervt mich trotzdem kolossal. Manchmal merke ich, wie ich passend zu meiner neuerlichen Nichtexistenz langsam verkümmere.
Wir bleiben am Schwarzen Meer und fahren nach Odur. Die Strecke bringt Spaß! Ein nicht unwesentlicher Grund ist der Fahrstil dieserorts. Die Menschen fahren hier ungewohnt gesittet, sie halten an roten Ampeln und schauen sogar vorm Überholen, ob die Fahrspur auch grade frei ist. Was ist hier nur los?
Wir fragen an einem der zahlreichen Picknickplätze, ob wir Zelten dürfen. Nach erster Skepsis dürfen wir und bekommen einen schattigen Platz gezeigt. Das Meer ist in Sicht- und Hörweite und die Mopeds dürfen auch mit auf den Platz. Wir sind begeistert! Einziger Wermutstropfen, sind die eiskalten Strandduschen. Die Kälte birgt jedoch dem Vorteil, dass man anhand der Geräuschkulisse stets weiß, ob sie besetzt sind. Außerdem bleibt niemand länger drunter als er unbedingt muss.
Wir sind so ausgehungert, dass wir vor dem Zeltaufbau erst einmal etwas futtern müssen. Wir erstehen Toasts mit Tomaten und Paprika und werden außerdem von einer lieben Familie mit Tee, Pflaumen, Haselnüssen, Wasser und Bonbons versorgt. Immer wieder bringen die kleinen etwas! Erst stellen wir uns mit der örtlichen Spezialität, der Haselnuss, etwas blöd an. Wie öffnet man die denn ohne Werkzeug? Das Mädchen zeigt es den dusseligen Alemanen schließlich: mit den Zähnen! Tatsächlich sind die Schalen der frischen Haselnüsse einfacher zu öffnen, als der uns von Zuhause bekannten. Trotzdem bin ich nicht sicher, ob dies der Zahngesundheit auf Dauer zuträglich ist. Wir legen lustige Figuren aus Nussschalen und versuchen erfolglos die Kinder mit Keksen zu versorgen. Und schließlich geht’s auch ins Meer. Der Strand ist hier lang, sodass wir anschließend weit spazieren können um Muscheln zu sammeln. Neben bekannter Badekleidung sehen wir in der Türkei auch häufiger textilreichere Anzüge bei den Damen, die die halbe Wade und die gesamten Arme bedecken und eine festsitzende Kapuze haben. Wer schon mal versucht hat eine Badeshort trocken zu spazieren kann sich vorstellen, welch unnötige Einschränkungen mit derartiger Kleidung verbunden sein müssen.
Am späten Abend, als alle Picknickgäste heimgefahren sind, kommt ein Traktor mit großem Gerät achterran. Ein Volleyballfeld liegt voller Haselnüsse noch in Ihren Hüllblättern. Diese werden nun wundersamerweise durch Einsaugen und Einschaufeln, Rütteln und Schütteln von den Blättern befreit in Säcke gefüllt und nach Abschluss der gesamten Prozesses wieder zum Trocknen auf dem Volleyballfeld ausgelegt. Und weil hier alle so nett sind, bekommen wir eine große Tüte voller Nüsse geschenkt. Geschenkt bekommen wir außerdem die Übernachtung und die Nutzung der Waschmaschine!
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